Synodalthema der Kreissynode 1959

Die Artikel 1 bis 11 der Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union vom 6. Mai 1955.

Dieses Referat kann sich nicht anheischig machen das Thema erschöpfend behandeln zu wollen, es hätten sehr gründliche geschichtliche und dogmatische Studien durchgeführt werden müssen, auch hätten die Protokolle des Ordnungsausschusses der EKU studiert werden müssen. Das alles aber kann im Amt nicht nebenbei geschehen. Auch würde ein auf solcher Basis gegründetes Referat ohne Zweifel die Tagesordnung der Synode sprengen. Dennoch wird es nicht ohne einige Besinnung auf etwa folgende Fragen gehen:

1. Das Verhältnis von Taufe und ev. Erziehung.
2. Taufe und Ev. Erziehung in Geschichte und Lehre.
3. Die Ordnungen der Kirche speziell in der Frage der Taufe und der Ev. Erziehung.
4. Kritisches und Erläuterndes zur Ordnung des kirchlichen Lebens der EKU v. 6.5.55

Obwohl ich in der Vorbereitung diesen Weg gegangen bin, möchte ich es Ihnen jetzt aber nicht zumu-ten, unter dieser Gliederung mir zuhören zu müssen, sondern ich möchte sie bitten, mit mir die einzel-nen Artikel zu lesen und es mir dann gestatten, jeweils einiges aus Geschichte, Lehre und Ordnung der Kirche dazu zu sagen.

Artikel 1:
Die heilige Taufe wird auf den Befehl Jesu Christi im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vollzogen. Dabei wird das Haupt des Täuflings dreimal mit Wasser begossen.

Artikel 2:
Die Taufe schließt ihrem Wesen nach eine Wiederholung aus. In diesem Artikel werden drei Fragen beantwortet:
1) Warum Taufe?
Nicht im Ermessen der Kirche liegt es also zu taufen oder nicht zu taufen. Auch ist die Taufe mehr als ein Aufnahmeakt, wie man es nach der Ordnung von 1920 annehmen könnte. Christi Befehl ist Grund und Grundlage.
2) Wie wird getauft?
Hier ist kurz zu erwähnen wie getauft wurde. Die Proselytentaufee wie auch die heidnische Kulttaufe wurde zur Zeit Jesu durch untertauchen vollzogen; bei der Bußtaufe des Johannes ist dies auch mit Sicherheit anzunehmen. Bei der Taufe der vielen Tausend zu Pfingsten allerdings glauben Ausleger auch schon nur mit Begießen oder Besprengen der Stirne zu rechen dürfen. Erhaltene Taufkapellen sprechen dafür, dass noch lange Zeit durch Untertauchen getauft wurde. Für die Kindertaufe gilt das bis in die Zeit nach der Reformation. Zu dem eigentlichen Taufakt kam vom IV. und V. Jahrhundert ab noch hinzu: Obsignatio Crucis, impositio manuum, datio salis, Exorzismus, Wachen und Fasten; zur jetzigen katholischen Praxis gehört auch noch Speichel auf Nase und Ohren, als Zeichen der geistlichen Erweckung (Mk 7,33); geweihtes Öl auf die Stirn, geistl. Salbung (1. Joh. 2,20); ein brennendes Licht in die Hand (dass er ein Licht der Welt sei - Mt. 5,14).
Zum dritten wird eine Antwort auf das Wesen der Taufe gegeben. Das allerdings wohl etwas zu kurz und nur Andeutungsweise. Was heißt es denn, die Taufe schließt ihrem Wesen nach eine Widerholung aus? Die Taufe ist ein Sakrament, aber ein Sakrament kann wiederholt werden (Hl. Abendmahl, es soll sogar). Die Taufe bedeutet Buße, aber Buße soll wiederholt werden, denken wir an den kl. Katechismus. Was bedeutet denn solches Wassertaufen? Es bedeutet, dass der alte Adam in uns ... täglich ... Taufe ist Gnadenzusage, aber das kann ja auch wiederholt geschehen und geschieht. Welches ist also das Wesentliche der Taufe, das eine Wiederholung verbietet? Ich kann es nur darin sehen, dass wir in der Taufe einverleibt werden dem Leibe Christi und dass diese Zusage gilt. Nicht unser Verständnis oder unser Glaube schafft dies, sondern Christus handelt. Im Gr. Katechismus sagt Martin Luther: Denn mein Glaube macht nicht die Taufe, sondern empfängt die Taufe.

Artikel 3:
1. Die Kirche verwaltet das Sakrament der Taufe durch ihre ordinierten Diener am Wort.
2. Stehen ordinierte Diener am Wort für die Verwaltung des Sakraments nicht zur Verfügung, können nichtordinierte Amtsträger der Kirche oder andere zum Heiligen Abendmahl zugelassene Gemeindeglieder mit diesem Dienst beauftragt werden.
3. Ist das Leben des Täuflings in Gefahr, so kann jeder Christ die Taufe vollziehen. Es geht mit anderen Worten darum: wer darf und soll taufen? Hier ist nur ein kurzer Rückblick erforderlich. Wer hat in der Christenheit, in der Kirche getauft? Jesus hat wohl selbst nicht getauft, aber seine Jünger. Der Apostel Paulus hat in der Regel auch nicht getauft, aber seine Begleiter. Missionare und Evangelisten haben also getauft. Bald aber ist es zur festen Ordnung gekommen. Tauftage wurden festgesetzt, Taufunterricht gegeben. Ursprünglich haben wohl nur die Bischöfe in den Gemeinden getauft, dann die Pfarrer.
4. Die Taufe findet nach Möglichkeit im Gemeindegottesdienst statt. Einmal im Monat soll dazu Gelegenheit gegeben werden. Werden besondere Taufgottesdienste gehalten, so sollen Älteste daran teilnehmen, die Gemeinde wird dazu eingeladen.

Bei den Taufen, von denen im NT berichtet wird ist der Ort recht verschieden, gemeinsam aber ist dies, dass das Evangelium dabei verkündet wurde. So ist in der Tat der Gemeindegottesdienst als allein legitimer Taufort anzusehen. Schon die Reformatoren liefen Sturm gegen die "Winkeltaufen". Nach der alten Pom. Kirchenordnung sollte nach der Predigt getauft werden und zwar in facie Ecclesiae als in veteri Ecclesia gebräuchlich "auf dass alle, die dabey sind, von ihrer Tauffe, und von den hohen Gaben und Gottseligen Wercken an uns ... erinnert und zu ernstem Gebet für die jungen Kindlein vermahnet werden" (fol. 82/83). Dass im Notfall Ausnahmen sein müssen ist klar. Gottesdienste aus Anlass von Haustaufen in Dörfern ohne Gottesdienstraum. Auch in diesem Punkt ist die neue Ordnung klarer und entschiedener als die von 1930, wo es nur heißt: die Taufe findet in der Regel in der Kirche statt, Haustaufen sind zulässig. Gut ist auch, dass der Passus über die Einsegnung der Mutter nicht nur aus der alten Ordnung übernommen, sondern auch erweitert wurde.

Artikel 4:
1. Die Gemeinde hält darauf, dass die Kinder christlicher Eltern innerhalb der ersten Wochen nach der Geburt getauft werden.
2. Vor der Taufe führt der Pfarrer mit den Eltern, möglichst auch mit den Paten, ein Gespräch über die Gnadengabe der Taufe. Hierbei soll deutlich werden, was es heißt, die Taufe für ein Kind zu begehren, und welche Verantwortung für die evangelische Erziehung daraus erwächst.
3. Vater und Mutter sollen bei der Taufe ihres Kindes teilnehmen, ess sei denn, dass besondere Umstände es verhindern. Wenn weder Vater noch Mutter bei der Taufe zugegen sein können, ist die Taufe in der Regel aufzuschieben.

Dass wir die Kinder taufen ist noch feste Sitte. Aber war das immer so in der Kirche? Diese Frage ist wichtig, zumal heute wieder die Praxis der Kindertaufe zum Problem geworden ist. Das NT weiß nur von Erwachsenentaufe. Zur Zeit Tertulians aber werden schon Kinder getauft, wogegen er polemisiert. Zweihundert Jahre später aber begrüßt Augustin die Kindertaufe. Sie wird dann immer mehr Sitte. Die Taufagende aber bleibt für Erwachsene formuliert. Dies geht selbst in unsere evangelischen Formulare ein. Martin Luther bleibt auch gegen Wiedertäufer und Schwärmer bei der Kindertaufe. Er verteidigt sie immer wieder. Im Gr. Katechismus tut er es ausführlich. Er beruft sich immer wieder darauf, dass die Taufe Gottes Ordnung sei und Gottes Werk, das nicht durch Glauben oder Ungaluben bedingt wird. Ich danke Gott und bin fröhlich, dass ich als Kind getauft bin. Da hab ich getan, was Gott geboten hat. Ich habe nun geglaubt oder nicht, so bin ich dennoch auf Gottes Gebot getauft. Und an anderer Stelle: Zur Kindertaufe bringen wir das Kind herzu in der Meinung und Hoffnung, dass es glaube, und bitten, dass Gott ihm den Glauben gebe. An weiter Stelle: Nun ist aber nicht allein Gebot und Befehl da, sondern auch die Verheißung. Darum ist es noch viel herrlicher als das, was Gott sonst geboten und angeordnet hat; es ist überhaupt so voller Trost und Gnade, dass Himmel und Erde es nicht begreifen können. Und wieder an anderer Stelle: Gott hat mir da ein Wahrzeichen gegeben, dass ich gewiss sein soll, dass ich selig werde, was es mir im Evangelium verheißen hat, denn er hat uns die Worte gegeben: das ist der Brief. Und neben den Worten die Taufe: das ist das Siegel.

Wenn wir nun auch zur Kindertaufe stehen, so tun wir es, weil wir die Taufe Ernst nehmen wollen als Gottes Tat, Gottes Gnade. Aber sie muss nun auch im Glauben täglich angenommen und geübt werden, das aber kann nur geschehen, wenn die Kinder zu diesem Glauben von klein auf hingeführt werden. Hier nun liegt das Problem der Kindertaufe. Wenn Hermann Priebe 1912 noch schreiben kann: "Die Kindertaufe ist zwar im NT nicht geboten, aber auch nicht verboten: Lasset die Kinderlein zu mir kommen (Mk. 10,14). Auch werden die Kinder nicht mehr in einer heidnischen Missionskirche, sondern in einer christlichen Volkskirche geboren und durch die Taufe dieser einverleibt", so muss Walter Bülck 1934 feststellen: "Die Kindertaufe ist problematisch geworden dadurch, dass die Voraussetzung einer allgemeinen Christlichkeit des Volkslebens uns alle Kinder des Volkes umfassender christlicher Erziehung durchlöchert wurde. Seitdem ist die Frage nach Bürgschaften für die christliche Erziehung der getauften Kinder akut geworden." Um wie vieles akuter aber ist das Problem nun heute!

Deshalb ist das, was hier in Artikel 4 unter 2. und 3. gesagt wird so überaus wichtig. Das Taufgespräch muss zur festen Ordnung werden. Ohne die Erwartung evangelischer Erziehung darf nicht getauft werden. Artikel 5 1. Für die Taufe eines Kindes werden Paten bestellt. Ihr Dienst wächst aus der Verantwortung, die die Gemeinde für ihre jungen Glieder trägt, und verpflichtet sie, mit den Eltern für die evangelische Erziehung und Unterweisung des Täuflinge zu sorgen, sowie Fürbitte und seelsorgerischen Zuspruch zu üben.

In diesem Artikel wird vom Patenamt gesprochen. Es ist gut, dass es so und ausführlicher als in der alten Lebensordnung geschieht. Pate sein ist eben ein Amt der Kirche und nicht "ein Werk, damit man weltliche Pracht soll führen oder allein weltliche Freundschaft machen, sondern die Gevattern; stehen da als Zeugen der Taufe und sollen Gott, den Herren über das Kinde wider den Satan anrufen."; sollen für ihren Paten beten, ihn seiner Taufe erinnern und bezeugen, auch Fleiß anwenden, soviel an ihnen ist, dass das Kind in Gotteserkenntnis und Furcht erzogen werde, den Katechismus lerne, wie es in der Pomm. Kirchenordnung heißt.

Wenn min in dieser alten Ordnung wie in unserer neuen sowohl von Paten als auch von Zeugen gesprochen wird, so müssen wir uns kurz klar machen, welche Bedeutung das Patenamt in der Kirche im Wechsel der Zeiten hatte. In der Urkirche waren die Paten bei der Taufe von Erwachsenen Bürgen, es mussten 2 sein, entsprechend dem allgemeinen juristischen Verständnis. Später zur Zeit der Kindertaufe wurden sie Zeugen und Stellvertreter - man sehe auf die Taufformulare - sie wurden Gevattern, Compatres wie es in den alten Kirchenbüchern heißt. Und man hat die Vermahnung an die Gevattern sicher sehr ernst genommen, in der es nach der alten Agende heißt: "Euch Gevattern aber will ich vermahnt haben im Herrn, dass ihr fleißig bedenkt, dass ihr hier steht, wider den Teufel und sein ganzes Reich und sollt nicht allein Zeugen sein diese Taufe, sondern im Namen diese Kindes, dem Teufel und allem seinem Wesen absagen, vor Gott, dem Herrn und allen seinen Engeln angeloben, dass die Kindlein an Gott = Vater, Sohn und Heiliger Geist soll glauben."

Die Gefahr aber, dass das Patenamt entleert wird, bestand auch schon damals, in der Zeit der Aufklärung aber ging dieser Prozess weiter, zumal die Schule immer mehr die Funktionen der christlichen Familie übernahm. Was Bülck 1934 sagte, gilt, weitgehend heute noch: Das Patenamt ist im Allgemeinen völlig entleert: gewiss soll es als ein Stück Familien- und Volkssitte aufrechterhalten bleiben, aber als Bürgschaft für die christliche Erziehung des Täuflings kann es nicht gelten. Wertvoll kann dafür allein werden das zu fordernde feierliche Gelöbnis der Eltern bzw. der Erziehungsberechtigten. Dass aber selbst das feierliche Versprechen, der Eltern wenig nützt, zeigt sich heute, in vielen Fäilen, in denen der Mann aus der Kirche ausgetreten ist oder dem antichristlichem Druck in seiner Berufstellung nicht standhält. Trotz Versprechen - und oft gegen den willen der Mutter - werden die Kinder aus der Christenlehre genommen. Es müssen deshalb schon die einzelnen §§ dieses Artikel als Versuch positiv gewertet werden, ein neues und rechtes Verständnisse des Patenamtes zu entwickeln, wobei mir § 4 allerdings praktisch kaum durchführbar erscheint.

Artikel 6:
Um der Ordnung halber ist dieser Artikel wichtig und recht.

Artikel 7:
1. Wird für heranwachsende Kinder die Taufe begehrt, so sind sie ihrem Alter entsprechend' vorzubereiten.
2. Die Taufe Erwachsener erfolgt nach eingehendem Taufunterricht. Hier gehts nun um die Erwachsen-entaufe, die ja nicht nur bei den Mennoniten und den Baptisten als feste Ordnung geübt wird, sondern auch Immer mehr Befürworter in Gemeinschaftskreise, ja neuerdings auch unter jüngeren Theologen hat. Dass stärkste Argument gegen die Erwachsenentaufe ist nun wie ich es sehe von unserem luth. Verständnis her dieses: Sie wird zu leicht vom Grad des Verständnisses des Täuflings und von seinem Glaubensstand abhängig gemacht und dadurch ihr Charakter als, göttliche Tat und Gnade verdunkelt. Der Umstand aber, dass wir heute eben keine intakten Gemeinden haben, eben kaum noch wirklich christl. Häuser, wir eben doch wieder (Priewe) in einer er oder weniger heidnischen Missionskirche die Kinder taufen, macht andrerseits die Kindertaufe so problematisch. Und wie oft wird sie besonders bei Nottaufen magisch verstanden! Man sollte deshalb hören, was der Weißenseer Kreis hierzu gesagt hat. Allerdings muss ich auch an, ein Wort Luthers erinnern, das gerade in seiner Nüchternheit uns wohl vor unüberlegt und vorschnellen Urteilen bewahren könnte: "Wenn die Taufe uns nicht jung gegeben würde, würden sich ihrer wenige taufen lassen, denn wir Sehens an der Predigt und am Sakrament, wie gering wir es achten. Aber wenn der Pfarrer einem jeden einen Taler gäbe, würde die Kirche zu eng werden. Nun gibts unser Herrgott umsonst. Wenn du getauft wirst, gibt dir der Pfarrer keinen Heller, nichts Zeitliches wird da gegeben, aber das ewige Leben, Himmelfahr, ewige Kindschaft in ewiger Freude und Wonne, ohne Sorge und Elend, das wird hier gegeben.

Artikel 8:
1. Die Taufe wird in der Regel an allen Kindern vollzogen, für die sie begehrt wird.
2. Die Taufe eines Kindes soll nicht vollzogen werden, wenn der Pfarrer nach gewissenhafter Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine evangelische Erziehung des Kindes nicht zu erwarten ist ...

Wenn nun in der neuen Ordnung wie schon In der von 1931 relativ ausführlich von den Gründen und Fällen einer Taufversagung die Rede ist, so ist das einfach deshalb notwendig, weil die Kindertaufe weitgehend zu einer "entchristlichten Volkssitte" geworden ist. So können die Paragraphen des Artikel 8 meines Erachtens gar nicht streng genug beachtet werden. Der §3 ist deshalb in der Fassung der alten Ordnung diesmal besser und wirklichkeitsnäher als die Neufassung. Warum heißt es nicht mehr: Gehören weder Vater noch Mutter der evangelischen Kirche ... an, so ist die Taufe zu versagen; nur unter besonderen - besser wäre noch: unter ganz besonderen - Umständen kann der Gemeindekirchenrat Ausnahmen genehmigen. Fürchtet man eine vor Gott nicht zu verantwortende Versagung des Sakramentes, etwa von der Augsburger Konfession her, wo es heißt: Von der Taufe wird gelehrt: sie ist heilsnotwendig. Durch die Taufe wird die Gnade Gottes angeboten. Die Kinder sind zu taufen ... Das würde ja zu einer katholischen Taufpraxis führen, die wir als unevangelisch ablehnen müssen. Es könnte allerdings geschehen, dass eine zu strenge Handhabung Unrecht täte, doch auch könnte dem Betreffenden nicht schaden. Ich erinnere wieder an eine Äußerung M. Luthers: Es kann auch einer glauben, wenn er gleich nicht getauft ist, denn die Taufe ist nicht mehr als ein äußerliches Zeichen, das uns an die göttliche Verheißung erinnern soll. Kann man sie haben, so ist's gut, dann nehme man sie; denn niemand soll sie verachten. Wenn man sie aber nicht haben könnte, oder sie einem versagt würde, ist er dennoch nicht verdammt, wenn er nur dem Evangelium glaubt."

Artikel 9:
2. Kann die Taufe noch nicht gewährt werden, so soll dies dazu dienen, mit allem Ernst zu Wert und Sakrament und zur Gemeinde zu rufen. Die Taufe wird nur zurückgestellt, bis zu dem Zeltpunkt, an dem die Hindernisse behoben sind.

Dieser Passus erscheint mir sehr wichtig. Taufversagen ist nie für immer. Taufversagen geschieht um der Taufe willen aber auch um derer willen, die die Taufe begehren. Das Gespräch mit Eltern und Paten hat auch von hierher seine große Aufgabe.

Aus alledem ist nun schon die enge innere Beziehung und Verbindung von Taufe und evangelischer Erziehung deutlich hervorgetreten.

Artikel 10:
1. Evangelische Erziehung gründet sich auf das Gebot des Herrn Christus, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen. In diesem Befehl sind Taufe und Lehre unauflöslich miteinander verbunden ... .

Ja wenn die Kirche die Kindertaufe übt muss sie nur all das tun, was hier unter 1 gesagt wird. Aber tut sie es heute? Ist es nicht sehr leicht gesagt. Die Verantwortung für die evangelische Erziehung liegt in erster Linie bei den Eltern? Nur als Elternhaus einer lebendigen Gemeinde kann das ja geschehen. Die Gemeinde sorgt dafür, dass die Eltern hierfür besonders zugerüstet werden. Wo geschieht das? und ist das denn ausreichend da, Evangelische Kindergärten, Horte und Kinderstunden? Nichtwahr, die Evangelische Erziehung der Kirche und ihrer Gemeinde liegt sehr im Argen. War das immer so, oder können wir aus einem Rückblick in die Geschichte der Kirche lernen und eventuell an alten Formen wieder anknüpfen? Das NT kennt die Urgemeinde als totale christliche Lebensschaft. Apostelg. 2,42. Sie blieben aber beständig in der Apostellehre und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Die werdende Kirche übernahm dann die antike Schule und machte, sie der Kirche dienstbar. Katechetenschulen, Augustin. Nach den Wirren der Völkerwanderung wurde das in den Klöstern weitergeführt, das Mittelalter begann mit dem Kinderkatechumenat. Im Laterankonzil 1215 wurde das Beichtinstitau für die Kinder zur Pflicht gemacht, zwischen dem 7. und 14. Lebensjahr. Die Firmung fiel auch in diese Zeit. Die Reformation aber stellt die auf humanistischen Grundsätzen beruhende Schule ebenfalls restlos in den Dienst der evangelischen Erziehung. Auch in der Pomm. Kirchenordnung finden wir ausführliche Lehrpläne, die das bestätigen. Die Älteren von uns sind noch durch eine solche evangelische Schule gegangen. Mit dieser Erziehung in der Schule aber ließen es die Reformatoren nicht genug sein. Daneben stand das Elternhaus, dessen Aktionen die Schule ja nur mittragend übernehmen sollte und daneben oder vielleicht besser darüber stand die Kirche mit ihren gottesdienstlichen Ordnungen, die beides - Elternhaus und Schule - kontrollierten und ihnen damit halfen.

In den Städten wie auf dem Lande gehört zur festen gottesdienstlichen Ordnung die Katechismuspredigt. Doch sollte nicht nur über den Katechismus gepredigt werden, er sollte auch eingeprägt werden, sonntäglich hatte der Küster nach der Epistel ein Stick aus dem Katechismus fein deutlich vorzulesen. Zur Kontrolle dessen aber, was so der Küster und die Katechismuspredigt auf dem Lande einprägte sollte dann vierteljährlich Repetition und Examen im Gottesdienst sein. Während dieser Zeit sollten die

Hausväter den Kl. Katechismus mit Erklärung mit ihren Kindern und dem Gesinde treiben. Bei den Wiederholungen und Examen sollten die Pastoren auch darauf sehen, dass die Erklärung gelernt würde und die Kinder "auch nach der Hand den Verstand und die Auslegung im Kl. Catechismo lernen." Pastoren, die das versäumen, sollten bestraft werden. Ja "für allen Dingen soll der Heilige Catechismus fleißig getrieben und geübet werden ... " Das war in der Tat mehr als das, was hier unser Artikel sagt. Die Katechismuspredigten und besonders die vierteljährlichen Repetitionen d.h. Prüfungskatechesen waren wirkliche Hilfen für das Elternhaus und die Christliche Unterweisung in der Schule.

Die Funktionen der Kirche und des Elternhauses fielen in Zeit der Aufklärung, die Schule schien auch in der Lage zu sein allein die evangelische Erziehung zu gewährleisten. Aber wie verhängnisvoll ist dieser Weg gewesen! Heute ist für uns dieser einzige Pfeiler restlos für diesen Dienst verloren. Die beiden anderen aber sind weitgehend untüchtig geworden. Es ist aber unbillig dem Elternhaus nun Aufgaben zuzuweisen, solange die Kirche Ihre Funktionen noch nicht wieder recht übernommen hat. Die Christenlehre genügt nicht, auch der Kindergottesdienst nicht. Der Gottesdienst der ganzen Gemeinde muss wieder geordneten Raum geben für die "Katechismuslehre im weitesten Sinne". Ansätze dafür gibt es, auf der letzten Tagung der Kindergottesdienstbeauftragten konnte von solchen Wiederholungs- und Prüfungskatechesen im Gottesdienst berichtet werden. Dass darüber hinaus Kinderdiakonat und auch die einzelnen Gemeindekreise, insbesondere die Frauenkreise, hier wichtige Funktionen haben, liest auf der Hand.

Artikel 11:
Dieser Artikel wäre von den obigen Erwägungen her zu erweitern, zu ergänzen. Hiermit aber möchte ich nun schließen. Wenn ein allgemeineszusammenfassendes Urteil allerdings noch erwartet wird, dann möchte ich es so fassen: die Lebensordnung ist eine gute Hilfe dafür, dass ein rechtes evangelisches Verständnis der Taufe in unsern Gemeinden wieder geweckt wird und dass die Verantwortung der ganzen Gemeinde, der ganzen Kirche für ihre getauften Kinder wieder gesehen wird. In der Form ist es wohltuend, dass den Formulierungen der alten Ordnung abgeschworen ist, die von kirchlicher Sitte und kirchlichen Pflichten immer wieder sprach, wäre die Kirche ein "Verein oder eine weltliche Institution", ohne es klar auszusagen, dass Christus allein der Herr der Kirche ist, der Amt und Auftrag gibt. Allerdings hätte die Sprache der neuen Ordnung des kirchlichen Lebens gern etwas von dem Kirchbüchlein lernen können, das für Berlin-Brandenburg 1948 herauskam. Ich glaube die Gemeindeglieder würden sich darüber freuen.

Literatur:

Walter Bülck; Praktische Theologie, eine Einführung; Leipzig 1934
Otto Händler, Grundriss der praktischen Theologie; 1957
Hermann Priebe; Kirchliches Handbuch; Berlin 1912
Martin Luther, Werke, Weimarer Ausgabe,zitiert nach Aland,Kurt; Lutherlexikon 1956
Martin Luther; Große Katechiomus; herausgegeben v. Gotthilf Herrmann
Christus die Hoffnung der Welt, Bericht über die 2. Weltkirchenkonferenz; Evanston 1954, herausg. Heinrich Grüber, und Gerhard Brennecke
Ordnung des kirchlichen Lebens; 1931 Ev. Preßverb. Berlin-Steglitz
Pommersche Kirchenordnung von 1563 in der Neuauflage von 1690
Agende zur Kirchenordnung von 1568 in der Neuauflage von 1691
Die Zeichen der Zeit, 1958 Heft 11, Zum Problem der Kindertaufe
Die Zeichen der Zeit, 1959 Heft 2, Zum Problem der Kindertaufe
Die Zeichen der Zeit, 1959 Heft 3, Zur Erziehungsarbeit der Kirche
Kirchbüchlein für die Kirchenprovinz Berlin-Brandenburg, EVA 1948